Geschichtsmagazin Berliner Verkehrsseiten

Straßenbahn Berlin

Die Cöpenicker Straßenbahn

1842 erhielt die Stadt Cöpenick mit der Eisenbahnstrecke Berlin - Frankfurt/Oder die erste Eisenbahnverbindung nach Berlin. Der Bahnhof der späteren Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn lag recht weit vom Stadtzentrum entfernt.  Schnell wurde ein Pferde- Omnibus Linienverkehr von privaten Betreibern eingerichtet. Eine weitere Pferde- Omnibuslinie bestand von Cöpenick nach Adlershof. 1887 kamen erste Ideen zur Einrichtung einer Pferde-Eisenbahn zwischen Cöpenick und Berlin entlang des Spreeufers auf. 1882 wurde eine Pferde- Eisenbahn zwischen den Bahnhof und dem Cöpenicker Schloßplatz eingerichtet. Der Fahrpreis betrug 10 Pfennige (Kinder 5 Pfennige). Die Fahrzeit betrug 17 Minuten. Der Pächter der Bahn, Herr Neuendorf, baute das Streckennetz bereits 1895 zweigleisig aus.

Der Wagenpark für diese kleine Städtebahn war aufgrund des 1800 Meter kurzen Streckennetzes (Bahnhof - Schloßplatz) stets klein. Die Pferdebahnwagen waren allesamt Einspänner, es gab auch 3 Decksitzwagen. Das Wagenmaterial für die Pferdebahn wurde vermutlich nicht neu gekauft, sondern gebraucht von Berliner Gesellschaften gekauft, die mit steigenden Fahrgastzahlen größere Wagen benötigten (4 Wagen von der Neue Berliner Pferdebahn-Gesellschaft sowie 3 von der großen Berliner Pferde-Eisenbahn).

Letzte Pferdebahnwagen am Schloßplatz in Cöpenick 1903, Sammlung Berliner Verkehrsseiten

In Cöpenick wurden viele Formen einer neuen Bahnverbindung diskutiert, so etwa einer Kleinbahn nach Friedrichshagen und Niederschöneweide, sowie einer Zahnradbahn in die Müggelberge. Diese Pläne sind nicht realisiert worden.

Am 11. August 1903 wurde der 4 Kilometer lange Pferdebahnbetrieb in Cöpenick (Bahnhof - Marienstr., heute Wendenschloß) auf den elektrischen Betrieb umgestellt. Technischer Ausstatter war hier die Firma A.E.G., verwendet wurden Bügelstromabnehmer. Die benachbarte Berliner Ostbahn verlängerte am 3. Dezember 1904 ihre Linie bis zur Lindenstraße Ecke Bahnhofsstraße, eine Gleisverbindung bestand zu dieser Zeit noch nicht. 10 Triebwagen (1 - 10) und 2 Beiwagen (14, 15 ) der Firma P. Herbrand&Cie aus Köln-Ehrenfeld standen bei Betriebsaufnahme in grüner Lackierung zur Verfügung.  Drei alte Pferdebahnwagen wurden mit elektrischer Beleuchtung und Bremse zu elektrischen Beiwagen (11 - 13) adaptiert. Die Bahn zählte 2200 Fahrgäste täglich.

Mit der Elektrifizierung der Cöpenicker Straßenbahn folgten Streckenerweiterungen.

Für die Linien 1 bis 3 wurden zunächst farbige Signallaternen zur Streckenkennzeichnung verwendet (weiß, grün, rot), die übrigen Linien trugen Liniennummern. Später wurden die Farben auch durch Liniennummern ersetzt, die Farben fanden sich auf den Zielschildern wieder.

Linie 1

Bahnhof Cöpenick - Wendenschloß

stündlich

Linie 2

Bahnhof Cöpenick - Marienstr., Ecke Charlottenstr. (Depot)

alle 15-20 Minuten

Linie 3

Bahnhof Cöpenick - Bahnhof Spindlersfeld

alle 30 Minuten

Linie 4

Bahnhof Spindlersfeld - Marienstraße (Depot)

9x täglich

Linie 5

Bahnhof Spindlersfeld - Wendenschloß

stündlich

Die Straßenbahn der Gemeinde Friedrichshagen

Die benachbarte Gemeinde Friedrichshagen betrieb seit 1891 eine eigene Dampf- und Pferdeeisenbahn im Meterspur. Für den Dampfbetrieb standen im Sommer zwei Dampflokomotiven der Hohenzollern- Lokomotivfabrik Düsseldorf und acht Anhänger, die im Winter durch Pferde bespannt wurde. Der Betriebshof befand sich im späteren Spritzenhaus am Marktplatz. Im Jahre 1895 konnte das Streckennetz in Friedrichshagen erweitert werden, die Bahn fuhr nun vom Bad Bellevue bis zum Wasserwerk. 1906 kaufte die Cöpenicker Straßenbahn die Friedrichshagender Straßenbahn und spurte sie auf Normalspur (von 1000 mm auf 1435 mm) um und verband beide Netze im Dezember 1906. Über den Verbleib der Wagen und Lokomotiven ist uns heute nichts bekannt, sicher wurden die Fahrzeuge an Meterspurbahnen verkauft. Lediglich ein Metropolwagen wurde von der Cöpenicker Straßenbahn auf Normalspur umgebaut und weiter betrieben.

Das Liniennetz der Städt. Cöpenicker Straßenbahn mit dem Stand Dezember 1906 wie folgt aus:

Linie 1

Bahnhof Cöpenick - Wendenschloß

Linie 2

Bahnhof Cöpenick - Bahnhof Spindlersfeld

Linie 3

Bahnhof Spindlersfeld - Wendenschloß

Linie 4

Bahnhof Friedrichshagen - Wasserwerk Müggelsee

Linie 5

Bahnhof Cöpenick - Bahnhof Friedrichshagen

Linie 6

Marienstr. - Seestr., -Friedrichstr. - Cöpenicker Str. Bhf Friedrichshagen

Linie 7

Bhf. Spindlersfeld - Cöpenicker Str. - Friedrichstr. - Seestr. - Bhf. Friedrichshagen

Die Linie 5 wurde nach kurzer Zeit wieder eingestellt, vermutlich konnte sie sich der Konkurrenz zur Staatsbahn nicht behaupten. Am 10. März 1907 konnte die Strecke der Linie 2 vom Bahnhof Spindlersfeld bis zum Bahnhof Mahlsdorf-Süd verlängert werden. Für den Betrieb von Mahlsdorf-Süd zum Bahnhof Mahlsdorf wurde die Linie 8 eingerichtet, die jedoch unrentabel blieb. Diese Linienteilung währte nicht lang, die Linie 1 wurde vom Bahnhof Cöpenick bis Mahlsdorf verlängert, die Linie 8 verschwand aus dem Betrieb. Die Linie 2 blieb bis Mahlsdorf-Süd bestehen. Die erwünschten Fahrgastzahlen erfüllten sich auf dieser Strecke nicht.

Am 11. Juni 1909 folgte die Streckenerweiterung zum Bahnhof Grünau (bereits 4. November 1908 erstes Teilstück bis zur Grünauer Grenze) und am 29. September 1912 nach Bahnhof Adlershof. Dort endete auch die von der Teltower Kreisbahn betriebene Straßenbahn nach Alt-Glienicke, ein Gleisanschluß zwischen beiden Betreibernetzen wurde hergestellt. Die Wagen der Teltower Kreisbahn wurden im Depot der Städtischen Cöpenicker Straßenbahn gewartet. Die Grünauer Strecke fand hohen Zuspruch, schon bald verstärkte eine neue Linie 8 den Betrieb von Bahnhof Cöpenick nach Grünau.

Eine kurze Stichbahn zur Fähre Grünau blieb nur von 1909 bis 1914 in betrieb. Sonntags fanden hier Fahrten (evtl. als Linie 9 ?) zur Fähre statt, die mit einem besonderen Fahrschein (10 Pfennig) auch zur Fahrt mit der Fähre berechtigte.

Die Querverbindung Linie 3 zwischen den Köllnischen Vorstadt (Bahnhof Spindlersfeld) und Wendnenschloß fand nicht ausreichend Fahrgäste, und verkehrte ab 1907 bereits nur noch stündlich. Werktags verkehrte ein spezieller Wagen für den Werkverkehr der Firma Spindler im Mittagsverkehr. Sonntags führte die Linie 3 zum Bahnhof Adlershorf. Das Liniennetz der Cöpenicker Straßenbahn gestaltete sich 1913 wie folgt:

Linie 1

Bahnhof Mahlsdorf - Wendenschloß

Linie 2

Bahnhof Cöpenick - Bahnhof Grünau

Linie 3

Werktags: Marienstr. - Bahnhof Spindlersfeld

Sonntags: Wendenschloß - Bahnhof Adlershof

Linie 4

Bahnhof Friedrichshagen - Wasserwerke Müggelsee

Linie 5

Mahlsdorf-Süd - Bahnhof Adlershof

Linie 6

Marienstr. -  Bhf Friedrichshagen

Linie 7

Bhf. Spindlersfeld - Marienstr (Wendenschloß)

Linie 8

Bahnhof Cöpenick - Grünauer Straße (nur Spätverkehr)

Linie 9

? Wendenschloß - Fähre Grünau von 1909 bis 1914 ?

Linie 10

Bahnhof Cöpenick - Marienstr. (Wendenschloß)

1915 begannen Arbeiten für eine normalspurige elektrische Kleinbahn (Umgehungsbahn) von Spindlersfeld über Müggelheim, neu-Zittau nach Storkow. Bedingt der Kriegsauswirkungen kam es nicht zum Abschluß der Pläne.

1918 wurde ein Straßenbahnvertrag mit dem Zweckverband Berlin geschlossen, der einen zweigleisigen Ausbau entsprechend der Verkehrsbedürfnisse vorsah. 1920 wurde Groß-Berlin bgebildet, die Stadt Cöpenick ging in dieser auf. Im 1920 wurden die Straßenbahnen im neuen großen Berlin vereinigt, die Cöpenicker Straßenbahn ging noch im Dezember in der Berliner Straßenbahn auf, behielt jedoch noch bis Juli 1921 die bisherige Streckenführung und das Nummernsystem bei. Mit der Vereinigung zu einer Berliner Straßenbahn sollten sich Liniennummern nicht mehr doppeln, schliesslich hatte jede kleine Straßenbahngesellschaft eine eigene Linie 1, was zu Verwirrungen der Fahrgäste führte. Die Umnummerierung sah wie folgt aus (farbige Kennzeichnungen entfielen nun):

Alte Cöpenick er Linie

Neue Berliner Straßenbahnlinie

Linienendpunkte

Linie 1

183

Bahnhof Mahlsdorf  - Wendenschloß

Linie 2

86

Bahnhof Cöpenick - Bahnhof Grünau

Linie 3

Im Jahr 1915 eingestellt

Linie 4

85

Bahnhof Friedrichshagen - Wasserwerk Müggelsee

Linie 5

184

Bahnhof Friedrichshagen - Alt-Glienicke (einst Netz der Teltower Kreisbahn)

Linie 6

Linie 7

Linie 8

In Linie 86 aufgegangen (Verstärkerfahrten nach Grünau)

Linie 10

Im Jahr 1920 eingestellt

Netzkarte 1953, BVG

1925 wurde eine Gleisverbindung zum ehemaligen Streckennetz der Berliner Ostbahn geschaffen, die Linie 87 der Ostbahn konnte so nun in die Stadt Cöpenick hineinfahren.

 

Ebenso wurde 1925 eine Verbindung zur Schmöckwitz-Grünauer Uferbahn am Bahnhof Grünau  hergestellt, die ab 1926 von der Linie 86 befahren wurde.

 

1925 gab es auch die Erweiterung Müggelheimer Straße - Städtisches Krankenhaus. 1929 wurde das Netz um die Strecke Bahnhof Friedrichshagen - Rahnsdorfer Mühle erweitert.

 

Die Straßenbahn in Köpenick ist heute noch in betrieb. Ausfallstrecken, wie etwa die Schmöckwitzer Linie stehen auf dem wirtschaftlichen Prüfstand.

 

Zur Städtischen Cöpenicker Straßenbahn gibt es noch weitaus mehr zu berichten: Fahrzeugentwicklung, Arbeitszüge, Lazarettzüge im Ersten Weltkrieg sowie der frühe Einsatz von Frauen im Schaffnerdienst (1915). Tarife, alle Linienänderungen und Fahrpläne würden hier noch 4 weitere einzelne Themenseiten füllen. Hierzu empfehlen wir aufgrund der Größe des Themas (wie bei jeder Straßenbahngesellschaft) die weiterführende Literatur in den Quellenhinweisen am Seitenende.

<- Ausschnitt aus der Linienkarte der Berliner Straßenbahn Betriebs G.m.b.H. (BSB) aus dem Jahr 1927 mit den vereinigten Netzen.

Text und Zusammenstellung: Jurziczek, 4/2006

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Nachbau Museumstriebwagen 10 der Cöpenicker Straßenbahn erhält heute der DVN in seiner Sammlung. Aus einem U3l (Arbeitsfahrzeug A277II) wurde im Jahr 1969 dieser gelungene Nachbau rekonstruiert.

Tatra auf der 1912 eröffneten  Schmöckwitz-Grünauer Uferbahn (Regattastraße)

 

Quellennachweis zu diesem Artikel:

  • 125 Jahre Straßenbahn in Berlin”, ALBA-Verlag 1990, von Sigurd Hilkenbach
  • Straßenbahnarchiv Berlin und Umgebung 5” Transpressverlag 1987, von Autorenkollektiv unter Leitung von Dr.-Ing. Gerhard Bauer
  • Linienchronik der elektrischen Straßenbahnen in Berlin bis 1945”, vom Arbeitskreis Nahverkehr e.V.
  • Die Straßenbahn in Cöpenick”, Berliner Verkehrsblätter , Aufsatz aufgeteilt in den Ausgaben:  Heft 3/1957 Seite 11, Heft 4/1957 Seite 17, Heft 5/1957 Seite 25, Heft 7/1957 Seite 29, Heft 12/1964 Seite 149- 254 (Nachtrag und Korrekturen den Aufsatzes von 1957), wie auch in Heft 5/1965 Seite 66 und 12/1965 Seite 169.
  • 100 Jahre elektrisch durch Cöpenick”, Berliner Verkehrsblätter, Aufsatz von Uwe Kerl und Wolfgang Kramer in den Heften 8/2003 Seiten 147-152, Heft 9/2003 Seiten 169 - 171 mit Berichtigungen in 12/2003 Seite 229.

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