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Straßenbahn Berlin

Die Ostbahn und der Stralauer Tunnel (Spreetunnel)

1891 wurden von Siemens&Halske sowie von der A.E.G. Vorschläge zum Bau von elektrischen Hoch- und Untergrundbahnen der Stadt Berlin vorgelegt. Die Hochbahnpläne von Siemens (bereits 1879 vorgelegt) stiessen aufgrund der Stadtbildveränderung auf Ablehnung, auch wurde viele kleine Probleme im Alltag befürchtet (zu enge Straßen zum rangieren von Pferdefuhrwerken, herabfallende Wagenschmiere oder Gesundheitsschäden durch das Betrachten der schnellen Züge aus den Wohnungen heraus).  Die Untergrundbahnpläne der A.E.G. regten Zweifel, ob der Märkische Boden überhaupt geeignet sei für derartige Vorhaben. Im Gegensatz zu London oder Paris gestaltet sich der Berliner Boden nur aus feinem “Buddelkistensand”.

1895 stellte die A.E.G. auf ihrem Firmengelände in Berlin-Wedding (Voltastraße) einen 295 Meter langen Versuchstunnel fertig. Eine kleine Bahn mit Elektromotor und Oberleitung konnte diesen Tunnel, der zwei Betriebsgelände miteinander verband, durchfahren. Der Tunnel ist heute noch vorhanden und steht unter Denkmalschutz. Führungen durch diesen “AEG-Tunnel” sind über die Berliner Unterwelten möglich.

Zur Gewerbeausstellung im Treptower Park 1896 sollte ein weiterer Tunnel die Eignung zur Unterfahrung von Gewässern beweisen. Die Baufirma Phillip Holzmann wurde von der A.E.G. 1896 beauftragt dieses Bauwerk unter der Spree von Treptow nach Stralau führend in der neuen Schildvortriebstechnik (erstmals hier in Deutschland angewendet) zu erstellen. Zur Eröffnung der Gewerbeausstellung war erst ein rund 160 Meter Abschnitt fertiggestellt. Ein Firmenkonsortium von A.E.G, Phillip Holzmann und der Deutschen Bank stützten das Vorhaben mit der gemeinsamen “Gesellschaft für den Bau von Untergrundbahnen G.m.b.H”. Die kreisförmige Tunnelröhre von 4 Metern Durchmesser wurde aus einzelnen ringförmigen Teilen von 50 - 65 cm Breite zusammengefügt und jeder Ring für sich wieder aus 9 gußeisernen Platten zusammengesetzt und zum fortlaufenden Rohrstrang verbunden. Um das Eisen des Tunnelmantels vor Rost zu schützen, wurde die Röhre außen mit einem 8 cm, innen mit einem 12 cm starken Überzug aus Zementmörtel versehen, wodurch sich nunmehr eine lichte Weite von 3,80 Metern ergab. Nach Ende der Gewerbeausstellung wurden die Arbeiten am Spreetunnel Treptow - Stralau zunächst eingestellt.

Karte mit dem Streckenverkauf unter der Spree, aus www.u-bahn-archiv.de , Sammlung Mauruszat

Mit den Behörden der Stadt Berlin wurde über eine Fortführung der Tunnelbauarbeiten für den späteren Betrieb einer Straßenbahnlinie verhandelt. Diese stimmte der Beantragung der Konzession noch immer nicht zu. Die Gesellschaft für den Bau von Untergrundbahnen G.m.b.H entschied das Projekt nun zunächst fertig zustellen. 1897 wurden die Arbeiten an der Baustelle Treptow - Stralau wieder aufgenommen und 1899 beendet. Der Stralauer Spreetunnel wies nun eine Länge von 454 Metern und kreuzte die hier 195 Meter breite Spree nahezu rechtwinklig. Die Länge der Anlage mit den Rampen betrug 582 Meter, der tiefste Punkt lag bei 12 Meter unter dem mittlerem Wasserspiegel der Spree. Seine Tiefenlage war so schützend gewählt, dass sich stets eine Sanddecke von mind. 3 über ihm befand und so recht sicher vor Havarien des Schiffsverkehrs war (Ankerwurf).

Am 18. Dezember 1899 konnte der Betrieb auf der inzwischen konzessionierten Straßenbahnlinie Schlesischer Bahnhof - Stralau - Tunnel - Treptow, Platz am Spreetunnel durch die 1899 dafür neu gegründete Berliner Ostbahn aufgenommen werden. Die Bahn erhielt schnell im Volksmund den Spitznamen “Knüppelbahn”, da der eingleisige Tunnel nur eine Fahrt je Richtung zuließ. Nur der Fahrer, der den Befehlsstab am Wagen hängen hatte war befugt den Tunnel zu durchfahren. An der Tunnelausfahrt wachte eine Betriebsaufsicht über die Vergabe und das Einholen des Befehlsstabes.

Aufgrund des Tunnelprofils war der Einsatz besonderer Wagentypen notwendig. Die Berliner Ostbahn zeichnete sich daher immer mit ihren besonders klein wirkenden, blauen Wagen aus Erst 1914 wurden Normalprofilzüge für den Betrieb der Linie III (Johannisthal - Friedrichsfelde) beschafft.

Elektrischer Güterzug auf der Bullenbahn der Ostbahn, später  Berliner Verkehrsbetriebe (BVG),  1930

1901 übernimmt die Berliner Ostbahn (BO) auch den elektrischen Betrieb auf der Güterbahn Schöneweide.

Ebenso 1901 wird eine weitere Strecke für den Personenverkehr aufgenommen: Bahnhof Niederschöneweide/Johannisthal und Sadowa, Cöpenicker Grenze (heute etwa an der alten Försterei), wo die Fahrgäste zur Städtischen Cöpenicker Straßenbahn hatten. Eine Gleisverbindung zur Cöpenicker Straßenbahn Bahn gab es ebenso nicht, wie vom Ostbahnnetz in Niederschöneweide zum Netz in Stralau zu dieser Zeit.

Im Dezember 1903 versuchte die AEG zusammen mit der Berliner Ostbahn einen Experimentierbetrieb mit einem Obus ab Bahnhof Niederschöneweide-Johannisthal- (heute Bahnhof Schöneweide) zum Ortskern Johannisthal durchzuführen. Der Fahrstrom wurde aus dem Leitungsnetz der Berliner Ostbahn entnommen.  --> Lesen Sie hier weiter über die Versuchsstrecke des AEG-Obus in Johannisthal. Der Versuch schlug jedoch fehl, die Strecke wurde bereits 1905 aufgegeben.

1905 bis 1908 folgt eine Erweiterung ab dem Streckenende in Treptow nach Schöneweide über die heutige Schnellerstraße.

1909 kann die von Cöpenick zum Schlesischen Bahnhof (heute Ostbahnhof) durchgehend befahren werden. Die verschiedenen Linien wurden mit farbigen Laternen gekennzeichnet.

Ab 1913 bis Kriegsbeginn verkehrte für kurze Zeit auch eine weitere Linie (nun die erstere als I, die zweite als II bezeichnet) durch den Stralauer Spreetunnel zur Forsthausallee in Baumschulenweg.

1912 werden 5 Wagen der BO bei einem Brand im Depot völlig zerstört.

<- Ansichtskarte aus dem Jahr 1902: Oben die Dorfkirche Stralau mit der Spree, unten die Tunnelbahn nach Treptow

1920 werden die BO der Berliner Straßenbahn als Betriebsteil angegliedert, wie auch die zahlreichen anderen Gesellschaften im nun gebildeten Groß-Berlin, die Berliner Ostbahn war damit aufgelöst.

Ab 1920 fuhren nun wieder zwei Linien durch den Stralauer Tunnel, seit 1920 nun nach dem Berliner Nummernschema. Den alten BO-Strecken wurden die Liniennummer 84 und 85 vergeben. Die 85 wechselte ab 1922 in die Nummer 90. Von 12. Februar 1923 bis zum 19. Mai 1923 sowie vom 10. September 1923 bis zum 9.Mai 1924 verkehrten keine Züge durch den Stralauer Tunnel. Im Zeitraum dazwischen verkehrte die Linie 13 von Stralau nach Treptow.

Mit der Verlängerung der Linie 82 über Stralau hinaus nach Treptow konnte der Tunnel am 10. Mai 1924 wieder durchfahren werden.

 Aushändigung des Befehlsstabes an den Zug der Linie 82 in Stralau ->

1925 würden im Süden des Streckennetzes der ehemaligen Ostbahn eine Gleisverbindung zum Netz der einstigen Cöpenicker Straßenbahn geschaffen. Die Linie 87 fuhr fortan bis nach Cöpenick hinein. Bis 1926 wurden die Züge für die Tunnellinie stets mit Trieb- und Beiwagen gebildet. Ab 31. Mai 1926 verkehrte Werktags die Linie 82 nur noch bis Stralau, eine Linie 82E setzte ab Markusstraße ein und fuhr nach Treptow. An Sonn- und Feiertagen sowie im Abendverkehr ab 20 Uhr gab es noch durchgehende Verbindungen mit den Tunnelwagen.

Hintergrund waren hier die kleinen besonderen Wagen, die für den Betrieb erforderlich waren, die Berliner Straßenbahn jedoch keine neuen Fahrzeuge dieser Sondergröße kaufen mochte. Für den Betrieb auf dem Abschnitt Schlesischer Bahnhof - Stralau war jedoch größeres Wagenmaterial für das Verkehrsaufkommen an Werktagen erforderlich.

 

 

Aus der Verkehrskarte der BSB 1927

Anfang 1928 war der Stralauer Tunnel unter der Spree für Sanierungsarbeiten gesperrt, nach Freigabe verkehrte aufgrund geringer Fahrgastzahlen lediglich ein Wagen zwischen Treptow, Platz am Spreetunnel und der Kirche in Stralau.

 

Aus dem Fahrplan der Berliner Straßenbahn Betriebs G.m.b.H. Sommer 1927

1932 wurden weitere Bauwerksschäden am Tunnel festgestellt. Die erforderlichen Sanierungskosten standen nicht im Verhältnis zum Verkehrswert dieser Zeit, im Durchschnitt saßen zu dieser Zeit in einem Zug der Linie 82 von Stralau nach Treptow 2 bis 3 Personen. Andere Verkehrsmittel konkurrierten den alten Strecken der Ostbahn, wie etwa die elektrifizierten Vorortbahnen der Reichsbahn, die Stadtschnellbahn (S-Bahn).

Am 15. Februar 1932 wurde der Stralauer Tunnel für den Straßenbahnbetrieb geschlossen, die Linie 82 verkehrte nun zwischen Dönhoffplatz und Stralau, Kirche.

Der Tunnel wurde 1936 für die Olympischen Spiele nochmals als Fußgängertunnel hergerichtet, da hier die Regattastrecke für den Wassersport festgelegt wurde, dem Besucher ein bequemes queren der Uferseiten ermöglicht werden sollte.

In den 40er Jahren wurde der Tunnel unter der Spree für den zivilen Luftschutz hergerichtet. Es wurden Trennwände und Längsbänke eingebaut. Vermutlich ein Bombentreffer riss ein beachtliches Leck in den Tunnel, seitdem ist er mit Spreewasser gefüllt. 1968 folgten Abrißarbeiten des Tunnelstückes zwischen den einstigen Rampen und dem Uferbereich der Spree.

Die Berliner Unterwelten e.V. versuchten 1996 sich im Auftrag des anliegenden Grundstückeigentümers Zugang zum Bauwerk zu verschaffen und den Zustand der Anlage zu dokumentieren. Wären die Instandsetzungskosten gering ausgefallen, beabsichtigte der Investor eines Wohnparks für seine Bewohner diesen als Fußgängertunnel in den Treptower Park herzurichten. Die Begutachtung ergab jedoch kein gutes Ergebnis. So wurde der Zugang wieder verschlossen.

Die Straßenbahn in Stralau und Treptow auf den Strecken der einstigen Berliner Ostbahn ist mit dem Stadtumbau nach 1968 eingestellt worden.

Arbeitsbw F3 ex Berlinerr Ostbahnen Tw 39 in der Halle Britz Gradestrasse

Der letzte Wagen für den Stralauer Tunnel (besonderes Wagenprofil) in der BVG-Fahrzeugsammlung (Betriebshof Britz)

Geblieben ist in Stralau bis heute die Tunnelstraße, in Treptow der Platz am Spreetunnel. In der Museumssammlung der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG AöR) befindet sich heute der 1912 gebaute Wagen 39 der Tunnelbahn, um 1930 zum Fahrleitungsturmwagen mit der Bezeichnung F3 umgebaut. Seit 1967 in der Museumssammlung Straßenbahn der BVG-West wurde der Turmwagen wieder zurückgebaut (Ausbau der Hebebühne). Allerdings trägt er noch die grüne Arbeitszugfarbgebung. Gepflegt vom DVN (Denkmalpflege-Verein Nahverkehr Berlin). Ein vollständiger Rückbau mit blauer Ostbahnfarbgebung ist geplant, derzeit fehlt es jedoch an Geld und Kapazitäten des DVN. Jede Hilfe, in Form von Material-  oder Geldspenden und Arbeitseinsatz sind hier stets willkommen. Führungen durch das Museumsdepot des DVN zum Wagen der Berliner Ostbahn und der weiteren Fahrzeuge sind möglich, siehe hier die Angebote auf der Homepage des DVN.

Text und Zusammenstellung: Jurziczek, 4/2006

Quellennachweis zu diesem Artikel

  • 125 Jahre Straßenbahn in Berlin”, ALBA-Verlag 1990, von Sigurd Hilkenbach
  • Straßenbahnarchiv Berlin und Umgebung 5” Transpressverlag 1987, von Autorenkollektiv unter Leitung von Dr.-Ing. Gerhard Bauer
  • Die Gesellschaft für den Bau von Untergrundbahnen G.m.b.H. - Berliner Ostbahnen”, Berliner Verkehrsblätter , Heft 5/1962 Seiten 36 - 39 (Allgemein), Heft 7/1962 Seiten 55/56 (Linienentwicklung), Heft 8/1962 Seiten 63-65 (Entwicklung des Wagenparks), Heft 9/1962 Seiten 73/74 (Linienchronik), Heft 10/1962 Seiten 80/81 (Wagenparkübersicht), Heft 11/1962 Seiten 94/95 (Tarif), Heft 12/1962 Seite 103 (Netzentwicklung).
  • Spreetunnel - Vergangenheit und Zukunft”, Berliner Verkehrsblätter , Heft 1997 Seite, 69, 71/73 mit historischen und aktuellen Abbildungen einer Begehung, Autor: Jürgen Meyer-Kronthaler
  • U-Bahn Archiv von Axel Maruszat ---> www.u-bahn-archiv.de
  • Berliner Unterwelten e.V. ---> www.berliner-unterwelten.de
  • Museumsfahrzeuge der BVG, Typenblatt und Kurzbeschreibung des letzten Ostbahnwagens ---> www.berliner-verkehrsseiten.de
  • Denkmalpflegeverein Nahverkehr Berlin ---> www.dvn-berlin.de

Zur hier nicht weiter beschriebenen Geschichte der Bullenbahn:

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