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Straßenbahn Berlin

Die Elektrische Straßenbahn in Berlin (Ost)

Mit der politischen Trennung Deutschlands 1946 folgte die Währungsreform 1948, die eine wirtschaftliche Trennung zur Folge hatte. In Berlin ignorierten sich beide Stadtverwaltungen bis 1990, beide glaubten jeweils die Gesamtberliner Verwaltung zu stellen. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) als stadteigener Betrieb und Dienststellen in beiden Teilen der Stadt hatten also zwei Bürgermeister unterschiedlicher politischer Ansichten und aus verschiedenen Wirtschaftssystemen kommend, denen sie Folge zu leisten hatten.

Die Zusammenarbeit der Dienststellen gestaltete sich immer schwieriger, je nachdem welcher Zugehörigkeit der Dienststellenleiter oder die Beschäftigten waren. 1949 kam es zum Streit der beiden Gewerkschaften, der FDGB aus dem Ostteil und der UGO aus dem Westteil der Stadt. Die Gewerkschaften verfolgten verschiedene Ziele, fanden einen schwierigen Ansprechpartner, das KPD-Mitglied und Personaldirektor der BVG, Wilhelm Knapp. Herr Knapp erhielt Hausverbot und erfuhr eine Beurlaubung, da das Westberliner Personal die Zusammenarbeit mit Herrn Knapp verweigerte. Im April 1949 begannen die Besprechungen zur Trennung des städtischen Betriebes, die am 1. August 1949 vollzogen wurde. So gab es nun eine BVG-West und BVG-Ost, was die Arbeit erleichterte. Die beiden BVG-Betriebe brauchten viele Jahre sich neu zu ordnen. Materiallager, Fachwerkstätten und Konstruktionsabteilungen waren plötzlich auseinander gerissen. Die anfallenden Aufgaben mussten neu organisiert werden. Man bedenke die Aufgaben der Hauptwerkstatt Straßenbahn, der Ausbildungsschule und dem Plankartenarchiv, welche nun nur für eine BVG arbeiten dürften, der jeweils anderen diese Einrichtung komplett fehlte.

Für die Straßenbahn bedeutete dies die Aufteilung der Betriebshöfe mit Fahrzeugen und des Streckennetzes entsprechend der Sektorengrenze der Westalliierten und den Sowjets. Die 6 sektorenüberschreitenden Linien 3, 23, 24, 73, 74 und 95 wurde von beiden BVG-Betrieben bestückt.

Problematisch war die Fahrgeldeinnahme bei den sektorenüberschreitenden Linien. Viele Westberliner liefen zu Fuß eine Station zurück in den Ostsektor, um dort mit dem weniger wertvollen Ostgeld den Fahrschein beim Schaffner-Ost zu lösen. Ab Sektorengrenze stieg der Schaffner-West zu, bereits eingestiegene Fahrgäste dürften mit dem zwar ebenso nur 30-Pfennig teuren Fahrschein weiterfahren, doch waren diese 30-Pfennig Ost erheblich weniger wert. Mit Fahrpreiserhöhungen (1951) im Westen wurden dieser Unterschied noch größer. Bis zur Unterbrechung des durchgehenden Straßenbahnbetriebes am 15. Januar 1953 konnte der Westberliner so erheblich Geld einsparen, und das war zu dieser Zeit knapp. Auch Brot und Kartoffeln bezog der Westberliner so preiswert aus den Ostsektoren.

15. Januar 1953: Der sektorenübergreifende Betrieb wird unterbrochen

1952 gab es immer wieder Schwierigkeiten im sektorenüberschreitenden Verkehr zwischen Berlin Ost und West sowie auf den Linien 47 und 96, die von Westberlin in die DDR fuhren. Schaffner der BVG-West wurden von Polizisten der Ostzone verhaftet, in Spandau führten diese Schwierigkeiten im Dezember 1952 aufgrund der in der Ostzone stehenden Fahrleitungsmasten (Fahrbahnrand) zur Einstellung des Obusbetriebes auf dem Nennhauser Damm, der im Westsektor lag. Am 15. Januar 1953 wurden die sektorenübergreifenden Straßenbahnlinien unterbrochen. Fahrgäste mussten mit der Straßenbahn vor der Sektorengrenze aussteigen und zu Fuß die Sektorengrenze überschreiten, wo die Weiterfahrt fortgesetzt werden konnte. Die Züge wendeten vor der Sektorengrenze und fuhren wieder zurück. Lediglich die Stadtschnellbahn (S-Bahn) sowie die Hoch- und Untergrundbahn (U-Bahn) fuhren noch auf ihren Strecken durchgehend über die Sektorengrenzen hinweg.

Bis 1955 wurde die gesamte Fahrleitungsanlage im Betriebsteil der BVG-Ost überarbeitet. Es wurden auch neue Fahrzeuglieferungen (LOWA) angeschafft, die die Lücken im Wagenpark schlossen. Ein Großraum - Probezug wurde 1952 auf der Strecke Grünau - Schmöckwitz erprobt, eine veränderte Serienlieferung dieses Musterzug wurde beschafft.

Bernauer Straße (1962) mit Fahrleitungsanlage der Straßenbahn (Westnetz)

Sektorengrenze Bernauer Straße (1962). Hier standen wie auf dem Bild gut zu stehen Fahrleitungsmaste direkt  hinter der Mauer, die nicht nur die Fahrleitung der Betriebsstrecke (Westnetz) in  der Brunnenstraße, sondern auch der weiter in Betrieb befindlichen  Strecke entlang der Bernauer Straße trugen. Direkt über der  Sektorengrenze waren lediglich Trenner eingebaut , ohne die sonst  üblichen Verbindungsschalter, um die Fahrstromnetze Ost und West  elektrisch zu trennen. Die Strecke entlang der Brunnenstraße zwischen Gesundbrunnen, Rügener Str. und Invalidenstraße war am 27.7.1946 nur  als Betriebsstrecke wiedereröffnet worden. Mit der Netztrennung am  16.1.1953 war der Abschnitt Bernauer-/Invalidenstr. offiziell  stillgelegt, aber nicht abgebaut worden. Auf der anderen Seite gab es ab 26.1.1953 zwischen Gesundbrunnen und Bernauer Straße vorübergehend  wieder Linienverkehr. Am 1.6.1964 war der Straßenbahnverkehr entlang der Bernauer Straße Geschichte, spätestens dann verschwand auch die  Fahrleitung über der Sektorengrenze.

Der Mauerbau am 13. August 1961 war für die Straßenbahn in Ostberlin nicht mehr sonderlich einschneidend, da die Betriebsorganisation bereits seit 1949 getrennt war, der Linienverkehr seit 1953.

Am 1.Januar 1969 folgte die Umfirmierung der BVG-Ost in Volkseigener Betrieb Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe VEB BVB, kurz BVB.

Linie 83 BVB

Auch in Ostberlin orientierte man sich an den Verkehrsplanungen der großen Weltmetropolen, die die Straßenbahn aus der Innenstadt verbannten. Altmodisch und das Stadtbild störend galt das Urteil, und der Hinweis auf den weiterentwickelten Autobus der gerade in der Innenstadt flexibler betrieben werden kann. Bereits 1951 wurde der Straßenbahnverkehr aus der Rathausstraße gezogen. Bis 1975 verschwand die Straßenbahn vom Alexanderplatz, aus Treptow, der Leipziger Straße, Alt-Stralau, Heinrich-Heine-Straße, Markgrafendamm und aus Alt-Friedrichsfelde, die zuführenden Strecken wurden gekappt. Mit der Oberleitung für die Straßenbahn verschwand auch der Obus (weil die Gleichrichterunterwerke mit verwendet) bis 1972 völlig aus dem Ostberliner Stadtbild.

Lesen Sie hier weiter über den Obus in Mitte und Lichtenberg

Mit dem 1971 auf dem 8. Parteitag der SED beschlossenen Wohnungsbauprogramm wurden die Weichen für die Neubaugebiete Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen gestellt. Auf die Straßenbahn wirkte sich dies mit Streckenerweiterungen aus. Ab 1976 wurden die ersten CKD-Tatrabahnen aus der Tschechische Volksrepublik (CSFR) in Berlin ausgeliefert, die für die Streckenerweiterungen notwendig waren.

Tatrabahn KT4Dt , Baujahr 1986 im  Betriebsteil Marzahn, 1988

Die neuen Strecken in die Neubaugebiete wurde sehr modern und gradlinig für hohe Geschwindigkeiten (im Gegensatz zum alten Netz in der Berliner Innenstadt)gebaut. Es wurde auf günstige Umsteigemöglichkeiten zur Stadtschnellbahn (S-Bahn) und Autobus geachtet. Leistungsfähige Wendeschleifen, ein neuer Betriebsteil in Marzahn für die Wartung und Säuberung der Züge geschaffen.

1982 wurde zur Einsparung von Kraftstoffen im Kraftgüterverkehr ein Güterverkehr durch Straßenbahnen wieder aufgenommen, wie in den letzten Kriegsjahren auch durchgeführt. Vom Aufbereitungslager für Altstoffe (SERO) in Mahlsdorf wurden Straßenbahngüterzüge zum Hafen in Köpenick geführt, lange währte dieser Betrieb jedoch nicht.

In der Straßenbahn in Ostberlin konnte 1989 rund 600.000 Fahrgäste täglich zählen, ein nie wieder erreichter Wert in der Hauptstadt der DDR.

Mit dem Fall der Mauer im Herbst 1989, der Aufhebung der Sektorengrenzen am 2. Oktober 1990 und der folgenden Wiedervereinigung des Landes sanken stetig die Fahrgastzahlen. Ein Aussterben der Satellitenstädte (Ahrensfelde), die einen Rückbau der Wohnblöcke zur Folge haben, verliert in einer automobilorientierten Gesellschaft das ökonomische und umweltfreundliche System ohne staatliche Unterstützung trotz steigender Energiepreise für Rohöl an Bedeutung. Damit steigen Umweltprobleme (Staub- und Lärmemissionen) und Verkehrsprobleme, die mit öffentlichen Subventionen ein weiteres Mal teuer gelöst werden müssen (Straßenneu- und -ausbau, Einrichtung von Verkehrsleitanlagen). Aber welcher Normalbürger oder Politiker kennt die Zusammenhänge von Verkehr, Umwelt und Wirtschaftlichkeit?

Text und Zusammenstellung: M. Jurziczek 4/2006

 

Quellennachweis zu diesem Artikel

  • 125 Jahre Straßenbahn in Berlin”, ALBA-Verlag 1990, von Sigurd Hilkenbach
  • Straßenbahnarchiv Berlin und Umgebung 5” Transpressverlag 1987, von Autorenkollektiv unter Leitung von Dr.-Ing. Gerhard Bauer

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