U-Bahn Berlin |
Zwei Verkehrsbetriebe und ein Netz 6. Auf der Suche nach Normalität im Chaos Ab dem 1. August 1949 gab es nun zwei städtische Verkehrsunternehmen gleichen Namens, die inoffiziell als BVG-West und BVG-Ost bezeichnet wurden. Bei Festlegung der Trennung sollte es sich eigentlich nur um eine Trennung der Verwaltung handeln, die jedoch sehr eng gemeinsam das Ziel verfolgen sollte die Verkehrsdienstleistung für den Fahrgast problemlos aus einer Hand anzubieten. Den sektorenübergreifenden Verkehr galt es hierbei aufrecht zu erhalten.
Bei allen sektorenübergreifende Linien (A, B, C, D ) im Bereich der U-Bahn stellte aus organisatorischen Gründen die BVG- West das Wagenmaterial. Im Kleinprofilnetz (Linie A und Linie B) wurde das Fahrpersonal von beiden Nahverkehrsbetrieben gemeinsam gestellt und völlig gemischt eingesetzt. Die Fahrzeuge waren der Kleinprofil- Werkstatt Grunewald zugeordnet, das Betriebswerk Warschauer Brücke wurde am 3.8.1949 geschlossen und die Aufgaben in die Betriebswerkstatt Krumme Lanke verlegt, wo nun im Zweischicht-Betrieb gearbeitet wurde. Die Streckencharakteristik gestaltete sich bei beiden Linien als Fahrt mit Endbahnhof in Ostberlin. Für die Instandhaltung war die jeweilige BVG-Verwaltung gemäß der Sektorengrenze zuständig, eine Ausnahme bildete hier die kurze Strecke zwischen der Oberbaumbrücke und Warschauer Brücke. Dieser Hochbahnabschnitt wurde vertraglich der Signal- und Bahnmeisterei BVG-West zugeteilt, obwohl er sich im Ostsektor befand. Die Strecke A hatte im Ostsektor eine Länge von 8.774 Metern (Vinetastr. - Potsdamer Platz). Die Strecke B lag mit nur 530 Metern im Ostsektor (Warschauer Brücke - Schlesisches Tor). Im Großprofilnetz (Linie C und Linie D) wurde das Fahrpersonal ausschließlich von der BVG-West gestellt. Die Fahrzeuge waren der Betriebswerkstatt Seestraße bzw. der Behelfswerkstatt Hermannplatz zugeordnet. Beide Linien durchfuhren den Ostsektor, endeten aber an beiden Linienendpunkten im Westsektor. Für die Instandhaltung der Strecken war die jeweilige Signal- und Bahnmeisterei entsprechend der Sektorengrenze zuständig. Die Strecke C erstreckt sich im Ostsektor auf einer Länge von 3.584 Meter, die Strecke D 4.337 Meter (gesamt: 7.921 Meter). Folgend die beiden Streckenbänder, oben Linie C unten Linie D (Stand der Anlagen 1957).
Abbildungen: Darstellung der Infrastruktur auf den beiden Großprofilstrecken im Ostsektor, farbig gekennzeichnet die unterschiedlichen Speisebezirke für die Fahrstromversorgung, (1957). Auf beiden intersektoralen Strecken war ab 1949 jeweils nur ein Stellwerksbezirk vorhanden. Auf der Strecke C war das kriegszerstörte Stellwerk Stettiner Bahnhof [Sb] (ab 1953 Nordbahnhof [Nf]) bis Ende 1945 wieder hergerichtet worden. Hier endeten die Verstärkerfahrten aus Richtung Süden kommend und kehrten über das Gleis 3. Eine Weichenverbindung am Bahnhof Stadtmitte [Mic] ist seit Betriebsaufnahme 1923 nur als Handweiche mit Schlüsselabhängigkeit ausgeführt worden. Auf der Strecke D ist das Stellwerk Alexanderplatz [Ap] ebenfalls kriegszerstört gewesen und nicht mehr ersetzt worden. Die Weichen wurden wie auch die Weichenverbindung Bernauer Straße [B] als Handweichenbezirk in Abhängigkeit über ein Schlüsselwerk mit den Signalen gebracht. Der Stellwerksbereich Rosenthaler Platz [Ro] wurde schon in der frühen Nachkriegszeit aufgelöst. Das letzte Stellwerk auf der Linie D war für den Abzweig zwischen Neanderstrasse [Ne] und Jannowitzbrücke [Jb] zuständig. -> Ausführliche Ausführungen zu den Stellwerken Alexanderplatz [Ap], Jannowitzbrücke [Jb] und Nordbahnhof [Nf] in der Rubrik Stellwerke der Berliner Verkehrsseiten. Das ortsfeste Personal (Bahnsteigabfertigung, Stellwerk, Fahrkartenausgabe) wurde von der Ostberliner BVG-Verwaltung gestellt. Dem Fahrgast war die Trennung des Betriebes erstmal nicht ersichtlich, so wie es von beiden Seiten auch zum Ziel geführt werden sollte. Jedoch drängten sich immer auffälliger die politischen Spannungen zwischen den Systemen in den Alltag ein. Ab 1950 waren polizeiliche Kontrollen an den Bahnhofsausgängen der im Ostsektor gelegenen Stationen möglich. Die BVG-Ost (Bahnmeisterei Standort Bw Friedrichsfelde) befuhr die Strecken der Linien C (über Hermannplatz) und D nur in der nächtlichen Betriebspause mit Arbeitszügen zur Ausübung von Instandhaltungsarbeiten (ab 8/1961 nur noch den Streckenabschnitt der Linie D). Die Trennung der technischen Anlagen (Stromversorgung, Signaltechnik) innerhalb der BVG zogen sich bis November 1951, da die BVG-Ost diese Betriebsbereiche erst neu aufstellen musste. Seit der Verwaltungstrennung der BVG (1. August 1949) wurden die technischen Anlagen kommissarisch von den Westberliner BVG-Dienststellen (vorher Gesamtberliner) betriebsbereit gehalten. Entsprechend der Vorgabe des Westberliner Bürgermeisters Reuter sind die finanziellen Aufwendungen für Arbeiten im Ostsektor von 1949 bis 1951 auf das Geringste zu begrenzen gewesen. Entsprechend wurden die Anlagen dort nur betriebsfähig gehalten. Der verwendete Strom für die U-Bahn wurde auch für einige Westberliner Streckenabschnitte noch von Ostberliner Kraftwerke gespeist. Die Leistung wurde zwischen den beiden BVG-Verwaltungen mit anderen Leistungen gegenseitig aufgerechnet. Am 4. März 1952 erfolgte ohne offizielle Ankündigung die Einstellung der Stromlieferungen aus Ostberlin. Dies bedeutete für die Westberliner BVG umgehendste Sofortmaßnahmen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Die betroffenen Umformerwerke wurden sofort an benachbarte Werke aufgeschaltet oder an das Westnetz der BEWAG (Berliner Elektrizitätswerke AG) verbunden. Das Umformerwerk Pankstraße wurde mit dem BEWAG -Stützpunkt Osloer Straße verbunden, das Umformerwerk Gleisdreieck mit dem Werk Bismarckstraße verbunden, wodurch das Umformerwerk Hallesches Tor an die Eingangsspeisung Gleisdreieck geschaltet werden konnte, die zum BEWAG-Abspannwerk Kottbusser Tor geschaltet wurde. Die Stromeinspeisung der U-Bahnstrecke D zwischen Gesundbrunnen - Bernauer Straße übernahm anfangs das Umformerwerk Alexanderplatz, die des BEWAG-Stützpunktes Osloer Straße das Umformerwerk Pankstraße. Am 4. April 1952 wurde dann das im Umformerwerk Gleisdreieck das 800-Volt-Verbindungskabel zum Umformerwerk Senefelder Straße und am 9. Mai 1952 das 475-Volt-Lichtspeisekabel der Strecke Gleisdreieck - Klosterstraße auf Verlangen der BVG-Ost abgeschaltet. Stromschienenplan Ausschnitt Strecke C (1967) mit Leitungshinweis “von der Reichsbahn” (v.d.RB) oben-mitte und links-unten die Leitungsverbindung vom Uw Mi (Linie A) Nachdem dann die BVG-Ost im Juli 1952 die Speisung des Mittelabschnitts der Linie C von Schwarzkopffstraße bis Stadtmitte mit 6 kV-Strom durch ein Verbindungskabel zur A-Linie in Stadtmitte selbst übernahm, wurden die 6-kV-Kabel der D-Linie, nach Einbau von Trennschaltern, auf den Bahnhöfen Reinickendorfer Straße und Kochstraße getrennt. Am Bahnhof Friedrichstraße wurde zusätzlich Fahrstrom vom Gleichrichterunterwerk der S-Bahn (Stadtbahn) in die Strecke C eingespeist.
Die Tarifsituation bei den Berliner Verkehrsmitteln blieben weiterhin wirr. Zwar akzeptierte die BVG seit dem 20.3.1949 nur Westmark in den Westsektoren als Zahlungsmittel, jedoch bedurfte es einiger Sonderreglungen im Zusammenhang mit dem sektorenübergreifenden Nahverkehr. Wer bereits im Ostsektor die Linie Richtung Westsektor bestieg, löste bei der BVG-Ost einen Fahrschein mit der Ostmark, die in Wechselstuben gegenüber der Westmark einen sehr geringen Gegenwert hatte. Nachvollziehbar, dass zahlreiche Westberliner eine Straßenbahn- oder U-Bahn-Station zurück in den Ostsektor liefen, um dort in den Zug Richtung Westsektor einzusteigen. Durch das gegenseitige Anerkennen der Fahrausweise war die Fahrt mit den BVG-Verkehrsmitteln nun uneingeschränkt möglich. Diese ungleiche Fahrgeldverteilung sorgte für erhebliche Einnahmeausfälle bei der BVG-West. Um den durchgehenden Linienverkehr nicht zu blockieren aber die Attraktivität dieses Verfahrens zu mildern, wurden die Umsteigebestimmungen (im Mai 1949 noch als Gesamtberliner Unternehmen) verändert.
Als am 26. Februar 1953 auch noch der Verkauf von Rückfahrkarten gegen Ostmark an bei der S-Bahn vorübergehend eingestellt worden war, wurde die Rückfahrt der Ostbewohner von Westberlin außerordentlich teuer. Aus diesem Grunde führte die BVG-West für die Bewohner von Ostberlin und der Ostzone (DDR) den Rückfahrschein Ost für 30 Ostpfennig ein, der Verkauf erfolgte über besonders gekennzeichnete Fahrkartenausgaben (U -Bahn). Der Fahrschein war nur auf den Straßenbahnlinien ohne Umsteigeberechtigung nur auf ausgewählten Straßenbahnlinien (ab 1.April 1956 auch ausgewählte Autobuslinien) und nur in Richtung Sektorengrenze gültig. Die Wagen dieser Linien einer Richtung erhielten an den Seiten ein weißes Schild O Rückfahrscheine Ost. Auf die Beschilderung wurde später verzichtet. Die Gültigkeit der Ostfahrscheine wurde später ausgeweitet, ab dem 1. Juli 1960 konnten alle Linien der BVG-West (außer Dreieck- und Schnellbuslinien) mit diesem Ostfahrschein, der Fahrscheinpreis erhöht auf 35 Ostpfennig, genutzt werden. Mit dem Mauerbau im August 1961 verlor dieser Fahrschein seine Notwendigkeit, erst mit dem Fall der Mauer 1989 wurden von Januar bis Juni 1990 vergleichbare Fahrkarten gegen Ostmark angeboten. Angemerkt sei, dass dieser Rückfahrschein-Ost von der BVG-Ost nicht anerkannt wurde. Bei Benutzung der Straßenbahn spielte dies aufgrund des unterbrochenen Betriebes keine Rolle, jedoch bei der U-Bahn wurden Fahrkartenkontrollen nach der Sektorengrenze auf Ostberliner Gebiet zum Problem. Kennzeichnung der Straßenbahnwagen, in denen die O-Rückfahrscheine gültig waren
Zur Beachtung für Benutzer von Ostfahrscheinen (Sonderfahrscheinen B) Neben den O s t f a h r s c h e i n e n für Straßenbahn und U-Bahn werden besondere Ostfahrscheine zum Preise von 30 Pf Ost für die Autobuslinien A5, A6, A13, A18, A20, A31, A34, A35, A52 und A60 ausgegeben.
Die Käufer von O s t f a h r s c h e i n e n werden deshalb gebeten, beim Lösen solcher Fahrscheine
anzugeben, welches Verkehrsmittel benutzt werden soll. Die O s t f a h r s c h e i n e haben nur auf dem Verkehrsmittel Gültigkeit, für das sie gelöst und
besonders gekennzeichnet sind. Auf der U-Bahn gelten O s t f a h r s c h e i n e nur bis zum letzten U-Bahnhof in Westberlin. August 1957 Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)
10. Volksaufstand 17. Juni 1953 Mehrfach in den Jahren seit 1949 zeigte sich eine politische Unstabilität der Verhältnisse. Schon mehrfach hatte man die Unterbrechung des durchgehenden U-Bahn-Betriebes befürchtet, wie er im Bereich des Obus, Autobus und Straßenbahn bereits vollzogen wurde. Zur Kontrolle des sektorenübergreifenden Betriebes bei der U-Bahn wurden über Dienstanweisungen der BVG-West Mechanismen zur Kontrolle des Zugverkehrs eingerichtet, um Störungen durch die Staatsorgane der DDR (Transportpolizei) oder Veränderungen im Betriebsablauf frühzeitig zu erkennen. Die Züge wurden vom Bahnsteigpersonal mit evtl. abweichender Zugverspätung erfasst und telefonisch an die erste Station im Westsektor gemeldet. Zugfahrer von Zügen, die im Ostsektor Unregelmäßigkeiten erlebten, hatten dieses sofort dem ersten Bahnhof im Westsektor zu melden. Die Leitstelle der U-Bahn West erfasste diese Meldungen und veranlasste entsprechende Maßnahmen. Zudem wurden an den jeweils letzten Bahnhöfen vor der Grenze zum sowjetischen Sektor signaltechnische Möglichkeiten zum Umsetzen von Zügen auf das Gegengleis eingerichtet (Handweichen mit Signalabhängigkeit). Damit war es möglich gewesen, den Betrieb im Westsektor bis an die Sektorengrenze weiterzuführen, wenn der Streckentunnel im Ostsektor gesperrt würde. Ab dem 17. Juni 1953 konzentrierte sich ein Aufstand der Arbeiter in der gesamten DDR. In nahezu allen Städten formierte sich der Widerstand ausgehend über die angekündigte Normerhöhung der Arbeitsleistung in der DDR. In Ostberlin formierte sich der Aufstand in der Innenstadt direkt an den Standorten der Ministerien der DDR im Stadtbezirk Mitte. In vielen Städten werden die SED-Ämter gestürzt, in der Hauptstadt der DDR gerät die Lage außer Kontrolle, der Staat ist kurzzeitig entmachtet worden. Bedingt der Lage des Stadtbezirks Mitte, der mit einer große Fläche an die Westsektoren grenzt, ist es schwer die Situation seitens der Staatsorgane der DDR in den Griff zu bekommen. Als Folge werden sämtliche Zufahrtswege nach Ostberlin, auch die des U-Bahn-Verkehrs geschlossen. Damit wurde erstmals der sektorenübergreifende U-Bahn-Verkehr unterbrochen. Dem DDR-Innenministerium gelingt es trotz Einsatz sämtlicher Polizeireservekräfte nicht, den Sturz der Regierung zu
verhindern. Nach der Verhängung des Ausnahmezustandes über Ostberlin am Mittag des 17. Juni gilt nun in rund 80 Prozent
der insgesamt 217 Land- und Stadtkreise der DDR der Ausnahmezustand. In Ostberlin beherrschen schwer bewaffnete
sowjetische Truppen und deutsche Polizeikräfte das Straßenbild. Die Sektorengrenze ist abgeriegelt; es wird scharf kontrolliert.
Westberliner, die sich in Ostberlin aufhalten, werden nicht zurückgelassen; Ostberliner und DDR-Bürger, die sich in Westberlin
aufhalten, dürfen nur über die drei Kontrollpunkte Prinzenstraße, Brunnenstraße und Invalidenstraße zurückkehren. -> Mehr über die Hintergründe und Folgen mit zahlreichen Audio-Beiträgen aus den Tagen im Juni: www.17juni53.de Die vorübergehende Unterbrechung des U-Bahn-Verkehrs an der Sektorengrenze erfolgte ohne Ankündigung bei der BVG -West. Die U-Bahn verkehrte ab Mittag des 18. Juni 1953 an nur noch in Westberlin auf den Strecken: Ruhleben - Gleisdreieck, Krumme Lanke - Kottbusser Tor, Uhlandstraße - Schlesisches Tor, Seestraße - Reinickendorfer Straße, Grenzallee - Kochstraße, Leinestraße - Kottbusser Tor. Die von Süden kommenden Züge der Linie D fuhren ab dem 26. Juni 1953 bis zum Moritzplatz. Diese Betriebsführung war nur dadurch möglich, dass bereits vorsorglich vor oder hinter den Grenzbahnhöfen Handweichen eingebaut worden waren. Die Strecke Gesundbrunnen - Voltastrasse wurde eingestellt, da die Strecke mit zwei Stationen unter der Brunnenstraße keine Verkehrsbedeutung trug. Unabhängig vom Ostsektor wurden die Strecken Nollendorfplatz - Innsbrucker Platz und Mehringdamm - Tempelhof bedient. Die BVG-Ost trennte alle 6-KV-Kabel, die 800-V Stromschienen, das 220-Volt Notlichtkabel und die 475 Volt Signalstromkabel an der Sektorengrenze sowie das betriebsinterne Fernsprechnetz. Die in Ostberlin gelegenen Abschnitte der Linien C und D wurden vom Fahrstromnetz der BVG-West getrennt. Der Streckenabschnitt der Linie D bezog nunmehr seinen Fahrstrom ausschliesslich durch das in Ostberlin gelegene Umformerwerk Alexanderplatz, die Strecke C wurde vom S-Bahn Gleichrichterwerk Friedrichstraße (Stadtbahn) versorgt. Im Ostsektor verblieben am 17. Juni 1953 nur 55 Triebwagen (Tw) und 55 Beiwagen (Bw) zwischen Pankow und Potsdamer Platz und 4 Tw / 4 Bw auf der Hochbahnstrecke B (Warschauer Brücke), auf der Linie C im Bahnhof Friedrichstraße 2 Triebwagen, auf der Linie D 5 Trieb- und 3 Beiwagen. Auf den Transitstrecken waren deshalb so wenig Züge im Ostsektor verblieben, da es zur Betriebsführung der BVG-West gehörte stets nur Züge in den Ostsektor einzufahren, wenn der Gegenzug auch aus dem Ostsektor angekommen war. Die S-Bahn (betrieben von der Deutschen Reichsbahn, verwaltungsrechtlich dem Ostsektor unterstellt) stellte in diesen Tagen ihren Betrieb gänzlich ein. Damit wuchs die Verkehrsaufgabe bei der BVG-West enorm, um den Umleiterverkehr der Transitlinien anzubieten sowie die Beförderungen der S-Bahn aufzunehmen. Nach dem Streik der S-Bahn im Jahr 1948 die zweite große Beförderungsspitze für die BVG-West, die auch Hilfe von den Westalliierten in Form von Fahrzeugen und Fahrpersonal erhielt. Am 22. Juni 1953 wurde der Betrieb der U-Bahn im Ostsektor und der S-Bahn wieder aufgenommen, zunächst jedoch nur bis zur Sektorengrenze. Erst am 8. Juli 1953 wurde dem sektorenübergreifende Verkehr bei den Bahnen wieder zugestimmt und am 9. Juli Betriebsbeginn aufgenommen.
Am 13.10.1957 gab es einen nicht angekündigten Bargeldumtausch in der DDR. Zu unübersichtlich war der Bestand von Ostmarkbeträgen, die sich außerhalb des Währungsgebietes (DDR) befanden. Das DDR Finanzministerium schätze den in Westdeutschland und Westberlin befindlichen Ostmark-Beständen auf mehrere Milliarden Mark, die gegen einen inflationären Umtauschkurs von bis zu 1:5 gegenüber der Westmark gehandelt wurden. “Weil die Monopolisten und die Militaristen in Westdeutschland gewisse Mengen von Banknoten in ihren Besitz gebracht haben mit dem Ziel, zu spekulieren, Störungen in unserer Volkswirtschaft zu organisieren und Agenten- und Spionageorganisationen zu finanzieren” erklärte am 13.10.1957 der damalige Ministerpräsident Otto Grotewohl die überraschende Aktion. Am zweiten Oktober-Sonntag 1957 glich die DDR einem Land im Ausnahmezustand. Die Telefon- und Fernschreibverbindungen nach Westdeutschland waren unterbrochen, und der Interzonenverkehr auf den Autobahnen ruhte von 8:10 Uhr bis 23:35 Uhr. Ab 15.00 Uhr durfte die U-Bahn auf den Linien A (Ruhleben / Krumme Lanke- Pankow) und B (Uhlandstraße - Warschauer Brücke) nicht mehr die Sektorengrenze überqueren, während sie auf den Linien C (Grenzallee - Kurt-Schumacher-Platz) und D (Leinestraße - Gesundbrunnen) die Stationen im Ostsektor ohne Halt passierte. Alle Bewohner der "DDR" sollten ihr gesamtes Bargeld innerhalb von wenigen Stunden gegen neue Noten umtauschen oder, soweit es die Summe von 300 Mark Überschritt, auf ein Konto einzahlen. Damit war das außerhalb der DDR befindliche Ostgeld über Nacht ungültig geworden. Die tatsächlich nur geringen Bestände in der Westzone waren zwar wertlos geworden, die Wechselstuben in den Westsektoren nahmen jedoch schon nach drei Tagen wieder Ostgeld zu den üblichen Wechselkursen an und gaben sie wieder ab.
Friedrichstraße (1958) Kontrolle an der Sektorengrenze 12. Streik bei der BVG-West 1958 Am 19. März 1958 wurde in Westberlin ein Streik der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) durchgeführt. Da der Arbeitskampf angekündigt war, wurde auch die Betriebsführung der BVG-Ost darüber in Kenntnis gesetzt . Am Tage zuvor wurde der BVG-Ost angeboten, aus den beiden vom Arbeitskampf betroffenen Linienabschnitten im Ostsektor C und D Wagenmaterial für einen Fahrbetrieb zur Verfügung zu stellen. Dieses Angebot wurde jedoch abgelehnt, da es nur noch zwei Kollegen bei der BVG-Ost gab, die mit dem Zugmaterial der Type C umgehen können. Für eine Schnelleinweisung von wenigstens 10 Fahrern mit Probefahrten fehlte die Zeit, der Aufwand für einen Tag nicht im Verhältnis stehend. [1] Auf der Linie C wurde damit auch im Ostsektor kein Fahrbetrieb angeboten, auf der Linie D pendelte die BVG-Ost mit zwei AIK -Zügen (für den Großprofilbetrieb adaptierte Kleinprofilzüge), die von der Linie E (Alexanderplatz - Friedrichsfelde) entnommen wurden und über den Verbindungstunnel zwischen den Linien E und D gefahren wurden. Mit diesen beiden Zügen wurde zwischen den Bahnhöfen Bernauer Straße und Neanderstraße (heute: Heinrich-Heine-Str.) jeweils auf einem Streckengleis gependelt, da es an der notwendigen Wendemöglichkeit an den Endbahnhöfen mangelte. Auf der Linie C konnte ein derartiger Betrieb mangels direkter Gleisverbindung nicht angeboten werden.
Die Stadt zeigte sich in den 50er Jahren zwar mit jeweils eigenen Währungen geteilt, aber durchgehend begehbar. Der Übertritt in den Ostsektor mit mehr oder weniger Kontrollen möglich, die Berliner versuchten damit zu leben. Politische Provokationen gingen immer wieder von beiden Seiten aus. Die eine Stadthälfte nahm den Anspruch für sich auf, der demokratische Sektor von Berlin zu sein, der andere erklärte sich zum freien Teil der Stadt Berlin. Die Berliner mussten in diesem Durcheinander ihren Weg versuchen zu gehen. Die U-Bahn befuhr weiterhin das gesamte Netz und hielt auch an allen Stationen. Von Normalität kann zu dieser Zeit in Berlin nicht die Rede sein, so haben Außenstehende die Situation beurteilt. Jedoch der Berliner, der jeden Morgen zur Arbeit im gegenüberliegenden Sektor fuhr und seine Einkäufe gegen Ostmark im Ostsektor besorgte, war das nun alles Alltag geworden. Normaler Alltag. Bis zum August 1961 verließen rund 3,5 Millionen Deutsche die DDR, der Staat verlor immer mehr wertvolle Facharbeiter. Die immer deutlicher erkennbaren unterschiedlichen wirtschaftlichen Erfolge der beiden deutschen Staaten und die Erfahrungen aus dem Volksaufstand im Juni 1953 veranlassten monatlich immer mehr, vor allem junge Menschen, das Land zu verlassen. Folgend die letzten öffentlichen Fahrpläne (1960/61) aus dem Fahrplan- und Informationsheft der BVG-Ost für die sektorenübergreifenden Linien A, B, C und D: Vergrößerung der Fahrplandrucke durch Anklicken
Lesen Sie weiter Teil 3: “Das Netz wird getrennt” Quellen und weiterführende Links / Literatur:
Text und Zusammenstellung: Markus Jurziczek von Lisone, 6/2010 |
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