Berliner Verkehrsseiten - Das Geschichtsmagazin zum Berliner Nahverkehr

Obus Berlin

1943 - BBC / Alfa Romeo

1943 erhielt die BVG aus Italien die 3 Alfa-Romeo-Triebwagen zugeteilt. Auch Bielefeld und Esslingen erhielten derartige Fahrzeuge für ihren Obusbetrieb.  Die 3 Fahrzeuge wurden bei ihrem Transport durch halb Europa arg kriegsbedingt beschädigt. So konnten die in der Ordnungsgruppe 14 einsortierten Wagen 1401, 1402 nur unter Zuhilfenahme des Ersatzteilspenders 1403 eingesetzt werden. Somit wurde Wagen 1403 nie gefahren. Alten Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass diese Wagen sehr laut gewesen sein sollen.

Wagen 1401 in Berlin.

Der wagenbauliche Teil stammt von Alfa Romeo, die elektrische Ausrüstung von BBC. Die Fahrzeuge boten 28 Sitz- und 47 Stehplätze. Diese Wagen hatten als erste Omnibusse in Berlin einen sitzenden Schaffner und das “Fahrgastflußsystem”. Der Fahrer saß mittig wie bei der Straßenbahn.  Alle drei Wagen wurden sogleich nach Kriegsende mit der vorläufigen Einstellung des Obus - Betriebes 1945 abgestellt.  Die Wagen wurden in Spandau eingesetzt, nach 1945 möglicherweise in der Steglitzer Wagenhalle abgestellt. Bis 1952 wurden die drei Wagen nach Spandau auf den dortigen Betriebshof geschleppt, wo sie 1952 nachweislich zerlegt wurden.

Aufnahme Obus Wagen 1403 (Alfa-Romeo)

Wagen 1403 diente nur als Ersatzteilspender für die Wagen 1401, 1402

Von der ATAC wurden zahlreiche Obus-Fahrzeuge in der Zeit 1943 bis 1945 für deutsche Betriebe requiriert. Zu diesen Fahrzeugen sei einiges gesagt:

Serie 6265 – 6383 ATAC Rom in Deutschland (von M. Schindler)

Das Reichsverkehrsministerium hatte 1941 mit der Einstufung der Obusprojekte in die Bedarfsvorrangstufe festgestellt, dass der Fahrzeugbedarf durch die deutsche Industrie nicht allein zu decken war. So wurde die (ggf. speziell dafür gegründete) Omnibus Bedarf GmbH des Verbands Deutscher Kraftverkehrsgesellschaften Berlin-Charlottenburg im Zusammenwirken mit der Allgemeine Lokalbahn- und Kraftwerke AG, Berlin W9, Köthener Str. 40-41außerhalb von Deutschland zu decken.

Während man im besetzten Rußland, Frankreich, Belgien und Norwegen einfach requiriert wurden, hatte man mit dem verbündeten Italien anfänglich versucht, fabrikneue Fahrzeuge aus laufender Produktion zu beziehen. Beispiel hierfür ist die Beschaffung der 17 Wagen (siehe Liste), die aus der römischen Serie 6265 ... 6383 entnommen wurden. Mit den erhalten gebliebenen Kopien der Erprobung, der originalen italienischen und von der BVG übersetzten Schaltpläne kann nachvollzogen werden, dass man 1943 noch versucht hat die im Bau befindliche Serie auf die deutschen (kiegsbeeinflußten) Bedürfnisse anzupassen und ursprünglich alle 17 Wagen nach Berlin geliefert werden sollten.

Wahrscheinlich wurden jedoch nur diese 17 Obusse gekauft, weil sich die politische Lage in Italien mit dem Sturz des „Dutsche“ grundlegend geändert hatte.

Weiterhin mussten die Verkehrsbetriebe die Wagen, egal ob gekauft oder requiriert, an die Omnibusbedarfs GmbH bezahlen.

Die Verteilung der Wagen erfolgte:

 

ATAC

Dt. Betrieb

Nr.

Einzelheiten

1

?

Berlin

1401

 

2

?

Berlin

1402

 

3

6329

Berlin

1403

 nur Ersatzteilspender

4

?

Bielefeld

01

 

5

?

Bielefeld

02

 

6

?

Bielefeld

03

 

7

?

Bielefeld

04

nur Ersatzteilspender

8

?

Esslingen

61

03.12.1948 von Militärregierung beschlagnahmt -> Mailand 302-4 (andere Angaben 301-3) mit Marelli-E-Ausrüstungen

9

?

Esslingen

62

10

?

Esslingen

63

11

?

Linz

11

 

12

?

Linz

12

 

13

?

Linz

13->10

 

14

?

Kiel

301

 

15

?

Kiel

302

 

16

?

Kiel

303

 

17

?

Kiel

304

 

Technische Parameter:

Karosse:

- Hersteller: Cassaro (Wagen 6265 ... 6313), Reggiane (6315 ... 6383)

- selbsttragendes Stahlleichtbau Skelett

- Aluminim-Beplankung

- Abmessungen: Länge 11.980 mm

Breite 2.490 mm, Achsstand 5.910/1.300 mm, Höhe 3.050 mm, Masse 10.500 kg (11.350 kg deutsche Angabe)

- Platzangebot: Rom 28 / 34 Sitz-/Stehplätze / Schaffnersitzplatz

BVG 28 / 47, Kiel 30 / 58, Esslingen 30 / 60

Fahrgestell:

- Hersteller Alfa-Romeo Typ 110AF2

- Mechanischer pneumatisch betätigter Geschwindigkeitswechsel (von BVG blockiert)

- pneumatische außenlaufende Falttüren mit Anfahrsperre und beim öffnen herausfahrender Schiebetritt (Anfahrsperre von BVG ausgebaut)

Elektrische Ausrüstung:

- Hersteller TIBB Mailand

- Motortyp GLM 1273DK, 108 kW (140 PS), 550 Volt, 218 A, 1750 U/min

- 2x 164-stufiges selbsttätiges elektropneumatisches Kollektorschaltwerk („Anlasser“) Typ ARG-DK mit einstellbarer Beschleunigung

- keine E-Bremse

- Trolley-Retriever (damals „Stromabnehmer-Festhaltevorrichtung“)

- Batterienotfahrt 72 Volt durch Reihenschaltung der drei Fahrzeugbatterien á 24 Volt (durch BVG bei den Wagen 1401-3 wegen Batteriemangel nicht benutzt, später durch BVG für die Wagen 485 bis 491 nachgebaut)

- Isolationsprüfgerät „Rivelator“

- Nullspannungsrelais (von BVG nachgerüstet)

- Westinghouse-Motorkompressor (durch BVG durch Knorr-Achspresser ersetzt)

- Keine Heizung (von BVG nachgerüstet)

Durch die deutschen VB wurden besonders Veränderungen an den Fenstern und Türen sowie die Nachrüstung von Heizungen und Anhängerzugvorrichtungen gefordert, aber wahrscheinlich nie berücksichtigt.

Die automatische äußerst feinstufige Schaltung muß sehr ruckfrei und energiesparend gearbeitet haben, aber sie hat wie alle Automatiken große Probleme in der Anpassung an unterschiedliche Fahrbahnverhältnisse und Belastungsfälle. Dies mußte durch den aufwendigen pneumatisch betätigten Geschwindigkeitswechsel und den Beschleunigungswahlschalter kompensiert werden.

Die drei zur BVG gelangten Wagen wurden 1943 umgebaut und ab 1944 die Wagen 1401 und 1402 im Spandauer Netz bis 1945 eingesetzt. Nach dem Zusammenbruch waren die beiden neben 11 anderen als einsatzfähige Fahrzeuge vorhanden.

Nach der Wiederinbetriebnahme des Berliner Obus 1948 kamen die Wagen nicht mehr zum Einsatz, Wagen 1403 diente nur als Ersatzteilspender. 1952 Verschrottete man die Wagen in großer Eile und Geheimhaltung.

Zwei italienische Quellen, die unterschiedliche, aber nicht unbedingt widersprüchliche Angaben beinhalten:

Serie mit CASARO-Aufbauten: 6265 ... 6313 -> 49 Wagen

nach 1945 in Betrieb (1. Quelle) 25 Wagen

Wagennummer nach dem Krieg nicht vorhanden (2. Quelle):

6285-93/7/303-13 -> 21 Wagen -> max. 28 Wg. i.B.

Serie mit REGGIANE-Aufbauten: 6315 ... 6383 -> 49 Wagen (6314 nicht erwähnt!)

nach 1945 in Betrieb (1. Quelle) 35 Wagen

Wagennummer nach dem Krieg nicht vorhanden (2. Quelle):

6315-33/41 -> 20 Wagen -> max. 29 Wg. i.B.,  insges. max. 57 Wg. i.B.?!?

In der Zusammenfassung von der Quelle 1 stehen ungefähr 60 Obusse und einer anderen Quelle spricht von 58 in Betrieb genommenen Wagen. Die Nummernlücke beträgt jedoch 118 Wagen und unter Hinzuziehung der nach Deutschland gelangten sind somit ca. 75 (17 + 58) Wagen dieser Serie gebaut worden.

Bisher konnte ich an Hand der bekannten Fotos noch keine Unterschiede zwischen den Aufbauten entdeckt. Auf Grund der Angaben der Quelle 2 können die ins damalige Deutschland gelangten Wagen aus beider Serien stammen.

Text: Mattis Schindler

Quellen und weiterführende Literatur:

  • ALBA, Berliner Omnibusse, Gammrath, Jung, Schmiedeke
  • Berliner Verkehrsblätter, Heft 3/1965: “ Der Obus-Wagenpark im westlichen Berlin seit 1933”
  • Der Stadtverkehr, Heft 12/1963: “30 Jahre Obusbetrieb in Berlin”
  • Recherche von Mattis Schindler (DVN)

Text von Jurziczek und Mattis Schindler 9/2004

Zurückblättern 

Nach oben blättern
Vorblättern

[Geschichte] [Fahrzeuge] [Strecken] [Bilder] [Technik] [Links] [Dokumente] [Impressum]

Online Magazin zur Berliner Verkehrsgeschichte