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U-Bahn Berlin

Die selbsttätigen Signalanlagen

Mit den ersten öffentlichen Fahrten bei der Berliner Hoch- und Untergrundbahn im Jahre 1902 zeichnete sich die Firma Siemens & Halske nicht nur für die elektrische Ausrüstung der Fahrzeuge verantwortlich, auch die Stellwerkstechnik lieferte der deutsche Hersteller. Soweit man die damaligen Quellen auswerten kann, war dem Betreiber bereits 1902 bekannt, dass im Ausland betriebene Schnellbahnen mit einer automatischen Signalschaltung betrieben werden, jedoch befand die ausführende Firma Siemens diese noch nicht als ausreichend geprüft und sicher genug. Anzumerken ist, dass die Firma Siemens diese Entwicklung auch noch nicht besessen hatte.

Zunächst wurde anhand der Erfahrungen bei der Eisenbahn (Vollbahnbetrieb) die Sicherungstechnik für den Schnellbahnbetrieb übernommen. Das Verkehrsaufkommen der 1902 in Betrieb genommenen Strecken wurde zunächst nicht sonderlich hoch eingeschätzt. Der Betrieb wurde mit überwiegend 3-Wagenzügen aufgenommen, auch die Bahnsteige waren nur für aus heutiger Sicht bezeichneten Kurzzügen ausgelegt. Die Sicherungstechnik gestaltete sich recht simpel, jede Haltestelle bildete eine Blockstelle. Auf Tunnelstrecken gelangten ausschließlich Lichtsignale zur Anwendung, auf den Hoch- und Flachbahnstrecken Formsignale (auch Flügelsignale genannt) zur zweifelsfreien Erkennung am Tage und zusätzliche elektrische Lichter. Die elektrischen Leuchtmittel waren noch nicht so weit entwickelt, dass sie auch bei Tageslicht hell genug eindeutige Signalbilder abgaben.

Ablaufskizze der Blocktechnik Berliner Hochbahn (Siemens, 1902)

Ablaufbeschreibung 4-Felderblocksystem:

Der Zugabfertiger auf dem Bahnhof B schickte einen Zug 1 zur nächsten Station C, schaute aufmerksam bei Ausfahrt des Zuges aus seinem Bahnsteig auf das Schlußsignal des Zuges (rot/weiße Metallscheibe), denn nur dessen augenscheinliche Erkennung befähigte den Mitarbeiter, über eine manuell bediente elektromechanische Blockeinrichtung einen elektrischen Impuls zur zurückliegenden Station A abzuschicken. Dort löst der etwa 5 Sekunden andauernde elektrische Impuls die elektro-mechanische Freigabe des Bahnsteigsignals aus. Der Zugabfertiger auf dem Bahnsteig der Station A erkannte die erfolgte elektromechanische Freigabe und betätigte über einen Signalhebel die Fahrtstellung des Signals. Nach Abfertigung des Zuges 2 beobachtet auch dieser den Zugschluß und reagiert auf die rot/weiße Zugschlußscheibe in seinem Wärterhäuschen. Er legt das Bahnsteigsignal über einen Signalhebel auf Halt, schickt einen elektrischen Impuls zur vorliegenden Station B (Vorblock), wodurch er sich die erneute Fahrtstellung zunächst mechanisch blockiert. Diese mechanische Blockierung wird erst mit dem elektrischen Impuls von Station B gelöst, die nach Ausfahrt des Zuges dort manuell (nach dem Erkennen des Zugschlußsignals) zurückgegeben wird (Rückblock). Die Zugabfertiger gaben also nach jeder Zugausfahrt einen Vor- und Rückblock ab. Auf den Bahnhöfen mit Weichen übernahm ein Weichensteller diese Aufgaben in einem Stellwerk  (Endbahnhöfe, Abzweigbahnhof, Bahnhöfe mit Abstellgleisen).

Blockwerk: Unter dem Blockkasten befinden sich die Signalhebel (1902)

Blockwerk einer Hochbahn-Haltestelle (1902) mit 4-Felderblock, unten die mechanischen Signal- Stellhebel. Diese Blockwerk befand sich in den Abfertiger-Häuschen der Seitenbahnsteige.

Auf diese Art korrespondieren die Haltestellen (Blockstellen) untereinander und geben jeweils manuell den Vor- und Rückblock . Nach jeder Zugfahrt immer und immer wieder.  Ein bei der Vollbahn völlig normales Prinzip, nur verkehren hier nicht drei Züge je Richtung in 10 Minuten. Eine kleine Unachtsamkeit, Ablenken durch Fahrgastanfragen oder der Toilettengang kann den Rückblock verzögern oder gar erst auf Nachfrage der zurückliegenden Station zu spät abgegeben werden. Solange der Rückblock nicht abgegeben wurde, kann sich der folgende Zug nicht bewegen. Die Signaldichte zu erhöhen war zumindest auf den Tunnelstrecken nicht möglich, fehlte es doch hier am Platz und eingeschränkter Sicht für den Blockwärter.

Blockbude (1906) Bahnhof Bülowstraße

Blockwärter am Bahnsteigende. Um die Taktdichte zu steigern, wurden die Blockwärter am Bahnsteigende positioniert um bereits den eingefahrenen Zug an die rückgelegene Station nach Einfahrt, nicht erst nach Abfahrt zurückmelden zu können.

Mit dem Anstieg der Beförderungsfälle wurden die Haltestellen östlich vom Gleisdreieck  mit einem Einfahr- und Ausfahrsignal  ausgerüstet, die Haltestellen westlich vom Gleisdreieck hatten diese bereits seit 1902. Damit konnte der Abstand zwischen zwei Zügen unter günstigen Bedingungen schon auf etwa 2,5 Minuten gesteigert werden.

Möckernbrücke 1902 Blocksignal (aus Ing Bauwerke Bln 1906)

Blockstelle Möckernbrücke mit Flügelsignal und Seilzug-Antrieb (mechanisches Signalwerk). Die bis 1908 errichteten Bahnhöfe wurden auf Empfehlung des Schnellbahn-Herstellers Siemens mit Seitenbahnsteigen ausgestattet. Nicht ohne Grund , denn mit Mittelbahnsteig hätten bei der dichten Zugfolge die Bahnsteigpersonale verdoppelt werden müssen um die betrieblichen  Aufgaben zeitgerecht ausführen zu können.

Bahnsteig Schlesisches Tor_ (1911)

Bahnsteig Schlesisches Tor mit mechanischem Blocksignal (1911)

Mit der rapiden Streckenerweiterung (1906, 1908) stiegen die Fahrgastzahlen an, die Züge mussten länger werden (was zunächst Bahnsteigverlängerungen zur Folge hatte) und auch die Zugfolge musste dichter werden. Das alte “Handblock -System” genügte nicht mehr den Anforderungen. Die Hochbahngesellschaft suchte Rat bei den Signalherstellern und beratenden Verkehrswissenschaftlern.

Streckenauslastung (aus Ing Bauwerke Bln 1906)

Dr. Gustav Kemmann, Verkehrswissenschaftler (1858 - 1931), pflegte Kontakte und gegenseitige Besuche zu Stadtbahnsystemen anderer Städte. Aus Boston, New York und London waren ihm aus den dortigen Tunnelbahnsystemen Selbstblocksignale bekannt gewesen, die bisher in Deutschland keine Anwendung fanden. Er empfahl der Berliner Hoch- und Untergrundbahn schon 1910 zur Lösung des Problems die Verwendung von selbsttätigen Signalsystemen. Errechnet wurde anhand der Fahrparameter von Strecke und verwendeten Zügen eine mögliche Taktverdichtung von derzeit etwa 2,5 - 3 Minuten auf 90 Sekunden. In seiner Veröffentlichung  “ Die selbsttätige Signalanlage der Berliner Hoch- und Untergrundbahn, nebst einigen Vorläufern” aus dem Jahr 1921 schreibt er:

Wie wir aus dem Signalwörterbuch erfahren, geht in den Vereinigten Staaten die Verwendung von Gleisströmen bis zum Jahre 1879 zurück, in dem sie zum ersten Male nutzbar gemacht wurde., um falsche Fahrtfrei -Anzeige von Signalen zu verhindern, falls im Betriebe Zugtrennungen aus Störungsgründen eintreten sollten. Der Gleisstrom sollte auch die Entdeckung von Schienenbrüchen ermöglichen. Damit hatte auch der Gedanke Fuß gefaßt, die Gleisströme für die selbsttätige Zugdeckung zu benutzen, und zwar zunächst unter Verwendung des Druckluftantriebes für die Signale, mit der in den Vereinigten Staaten im Jahre 1885 begonnen wurde. Nunmehr war es bereits möglich, zur Ausbildung des selbsttätigen Signalwesens für Stadtschnellbahnen überzugehen, während der Druckluftantrieb auf Überlandbahnen nur in Fällen besonders dichten Verkehrs angebracht ist, da für diese Bahnen die Anlagekosten der Signalanlagen wegen der bedeutenden Längenausdehnung sonst zu hoch ausfallen würden. ... Das selbsttätige Signalwesen der Stadtschnellbahnen hat bis in die neueste Zeit für die Weichen, Signale und Fahrsperren den Druckluftbetrieb beibehalten, da er auch auf langen Außenstrecken und unter schwierigsten Umständen, selbst bei Kältegraden bis zu 30° C - wie in Boston - einwandfrei arbeitet. Die erste elektrische Stadtschnellbahnanlage, auf der die selbsttätige Zugsicherung mit Gleisstromkreisen unter Benutzung von Druckluftantrieben zur Einführung gelangte, war die Bostoner Hochbahn. deren Eröffnung im Juni 1901 erfolgt ist. Mit Druckluftantrieben arbeiten ferner die 1904 eröffnete Neuyorker (= New Yorker, Anm. Redaktion) Untergrundbahn, weiterhin die nach dreijähriger eingehenden Versuchen auf der Ealing- Harrow- Vorortstrecke bei London im Jahre 1906 mit selbsttätigen Signalen ausgerüstete Londoner Distriktbahn, der bald darauf die Bakerloo-, Piccadilly- und Hampstead- Röhrenbahn in London folgten. Um dieselbe Zeit schloß sich die Hoch- und Untergrundbahn in Philadelphia an; 1912 wurde die Signalanlage der Zentrallondonbahn (= Central Line, Anm. Redaktion) in eine mit Druckluftantrieben arbeitende selbsttätige umgewandelt. Erst neuerdings kommt der in seiner Arbeitsweise verwickeltere rein elektrische Antrieb zum Stellen der Weichen und Signale mehr in Aufnahme; man findet ihn auf der Ostlondonbahn (= East London Line, Anm. Redaktion) und der Berliner Hochbahn.

Die britische Firma Mc Kenzie Holland & Westinghouse Power Signal Co. Ltd. (gehörte zum von George Westinghouse aufgebauten nordamerikanischen  Konzern mit zahlreichen Sparten) richtete auf betreiben des Verkehrswissenschaftlers Dr. Gustav Kemmann ein bereits in London und New York verwendetes System (auf die Berliner Verhältnisse adaptiert) erstmalig in Deutschland auf der neuen Strecke Spittelmarkt - Nordring (heute Schönhauser Allee) ein.

Die deutsche Firma Siemens & Halske erhielt die Chance, für die im Jahre 1913 zu eröffnenden Strecken Wittenberplatz - Thielplatz und Wittenbergplatz - Uhlandstraße ein derartiges zugbewirktes Sicherungssystem erstmalig in ihrer Firmengeschichte einzurichten. Zeitgleich (1913) wurde die Hamburger Hochbahnstrecke Barmbeck - Dehnhaide mit einer selbsttätigen Signalanlage von Siemens ausgerüstet.

Gehäusekasten Firma Westinghouse (U-Bahnmuseum Berlin)

Auf der Strecke zwischen Spittelmarkt und dem vorläufigen Endpunkt Nordring kam erstmalig (1.7.1913) bei der Berliner U -Bahn eine selbsttätige Gleisfreimeldeanlage für den Stellbereich eines Bahnhofes zum Einsatz (die Besetztanzeige der Gleisabschnitte über eine Fahrschautafel dem Weichensteller angezeigt). Zudem wurden die Züge auf diesem neuen Abschnitt nicht mehr manuell (nach dem Erkennen des Zugschluß durch den Weichensteller) zum rückgelegenen Bahnhof geblockt. Auf dieser Strecke wurde 1908 erstmalig eine Selbstblockstrecke aufgebaut (der fahrende Zug löst mittels Gleisschaltkontakte selbsttätig die Freigabe des vom Zug 1 verlassenen Blockfahrabschnitt für den nachfolgenden Zug 2 aus).

Funktionszeichnung Selbstblockanlage

Funktionsprinzip selbsttätige Signalanlage. Über eine Relaisschaltung im Hintergrund werden die Abschnitte, in denen sich ein Zug befindet, automatisch geblockt. Ein Blockabschnitt ist der Raum zwischen zwei Hauptsignalen zzgl. einer Schutzstrecke (max. Bremsweg)

Mit diesem selbsttätigen Signalsystem der Firma Westinghouse war es möglich, die Blockabstände (Abstände zwischen den Zügen) deutlich zu verringern und damit die Leistungsfähigkeit der modernen Schnellbahn zu erhöhen. Einerseits wird die Fahrschiene mit Fahrstrom (Gleichspannung) gespeist, die von den Triebwagen aufgenommen werden, zum anderen ein Gleisstrom, der hier nun neu ebenfalls in die Fahrschiene gespeist wird (Wechselstrom). Sobald ein Zug mit seiner ersten Achse in einen Streckenabschnitt einfährt, dessen Signal vorher “freie Fahrt” zeigte, wurde der Gleisstromkreis durch die Achsen kurzgeschlossen; die dadurch bewirkte Ablenkung des Stromes vom Relais hat die Haltstellung des Signals zur Folge (selbsttätiges Signal). In dieser Lage verbleibt das Signal, bis die letzte Zugachse den zu deckenden Streckenabschnitt verlassen hatte. Impendanz-Verbinder verhinderten das Ausströmen des Gleisstromes (Wechselstrom) in benachbarte Gleisabschnitte, da die Fahrschienen ja durchweg verbunden sind (Gleichstrom-Fahrstromversorgung).

In den Bahnhöfen mit Weichen, wo ein Stellwerk manuell den Zugverkehr überwachte, war nun ein halbautomatischer Betrieb möglich. Immer wiederkehrende gleiche Fahrstraßen (die kein Umstellen der Weichen erfordern) konnten nun erstmalig durch einen einschaltbaren Automatikbetrieb wie bei den Selbstblockstrecken zugbewirkt genutzt werden. Stand der Wunsch nach einer veränderten Fahrstraße, konnte der Automatikbetrieb ausgelegt werden (Hebel umstellen) und manuell die erforderliche Fahrt durchgeführt werden. Signale dieser Form werden fortan “halbstelbsttätige Signale” genannt.

Mechanische Fahrsperre mit Lichtsignal (Bhf. A, 1913), Bauart Westinghouse                 Fahrsperrenatrieb von der Firma Westinghouse für die Berliner Hoch- und Untergrundbahn 1913

Lichtsignale für die Tunnelstrecke Spittelmarkt - Senefelder Platz (1913) von Westinghouse mit der seit 1909 von Siemens entwickelten mechanischen Fahrsperre für das Berliner Kleinprofil. Rechts der elektrische Antriebsmotor für die mechanische Fahrsperre, Bauart Westinghouse (runde Gehäusekappe)

Elektro-Mechanisches Hebelwerk

Nach Quellen der damaligen Zeit soll der Verschlußkasten dieser britischen Stellwerksform mehrfach Grund zur Klage gegeben haben, da sich Fahrstraßen wegen mechanischer Hemmungen haben nicht ein- oder auslegen lassen haben. Bis etwa 1928 sind alle Westinghouse-Stellwerke außer Betrieb genommen worden und durch Einreihen-Hebelstellwerke von VES (Siemens) ersetzt worden. Siemens blieb bis heute marktführend in der Sicherungstechnik der Berliner U-Bahn. Erst nach etwa 95 Jahren (!) konnte wieder ein Stellwerk für den Regelverkehr eines anderen Anbieters (Alcatel) bei der Berliner U-Bahn in den Markt einbrechen.

Westinghouse_Schnitt_Weichenhebel

Weichen- und Signalhebel Bauart Westinghouse (1908 -1925 in Berlin verwendet). Die Handfalle musste wie bei einem mechanischen Stellwerk zum Hebel gedrückt werden, um den Hebel zu verstellen.

Westinghouse_Schnitt_Signalhebel
Funktionsweise Hebelstellwerk Westinghouse

Funktionsprinzip Hebelstellwerk Bauart Westinghouse: Links die Stellhebel mit Handfalle.

Mechanisches Verschlußwerk: Das Verschlußregister verschiebt sich durch das Umstellen der Weichenhebel. Ein Signalhebel lässt sich nur Umstellen, wenn das Verschlußregister richtig eingestellt ist, was durch andere Signalhebel oder Weichenhebel blockiert sein kann. Liegen alle Weichen in der richtigen Lage und stehen keine gegenteiligen Signalhebel in Fahrtlage, lässt sich der gewünschte Signalhebel bewegen ohne mechanisch vom Verschlußregister blockiert zu werden.

Elektrische Freigabe: Blockierte das Verschlußregister beim Umlegen eines Hebels nicht, folgte die Bearbeitung im Sperren- und Kontaktregister. Hier folgen die elektrischen Prüfungen ob der Fahrt eine elektrische Blockierung im Wege steht. Dabei wird u.a.  die Gleisbesetzung geprüft. Nach erfolgreicher Schaltung wird der Strom zum Freischalten des Signals oder dem Umstellen der Weiche abgegeben.

Funktionsprinzip Stellwerk Siemens

Einreihen-Hebelstellwerke von Siemens&Halske ab 1923 für den automatischen Betrieb (Umleithebel). Der Aufbau unterscheidet sich von der Bauart Westinghouse, aber die Funktionsweise ist identisch. Das mechanische Verschlußregister nennt sich hier “Schieberkasten”, das Sperren- und Kontaktregister nennt sich hier “Weichen- und Signalschalter”.

Die neuen automatischen Signalanlagen beider Herstellerfirmen funktionierten zur vollen Zufriedenheit. Noch 1914/15 wurde der Streckenabschnitt zwischen Spittelmarkt und Wittenbergplatz ebenfalls mit der selbsttätigen Signalanlage ausgerüstet. Für den Bahnhof Leipziger Platz wurde von der Hochbahngesellschaft in eigener Werkstatt versucht,  nach Vorbild der Firma Westinghouse das Hebelwerk nachzubauen. Das Stellwerk Gleisdreieck erhielt ebenfalls eine Ausrüstung dieser Bauform Westinghouse. Der Nachbau der Neuanlagen bzw. der Nachbau von Ersatzteilen war erforderlich gewesen, da aufgrund der Kriegsverhältnisse die wirtschaftlichen Beziehungen “schwierig” waren. So war im Jahr 1916 die gesamte Strecke vom Nordring bis Nollendorfplatz mit der selbsttätigen Signalanlage nach Bauart Westinghouse ausgerüstet. Am U-Bahnhof Potsdamer Platz wurden auch  Nachrücksignale zur Taktverdichtung aufgebaut, die bereits die Zugfahrt bis an den Bahnsteiganfang erlaubte, wenn der vorausfahrende Zug noch das letzte Drittel des Bahnsteiges beanspruchte. Ein bis heute bei Stadtbahnen verwendetes Verfahren, jedoch wird der verkürzte Bremsweg signalisiert bzw. durch eine Geschwindigkeitsreduzierung angezeigt.

Leipziger Platz Hochbahn-Nachbau eines Westinghouse-Stellwerk

Nachbau eines Westinghouse-Stellwerks durch die Werkstatt der Hochbahngesellschaft für den Bahnhof Leipziger Platz (1914)

Ubersicht_Selbsttatige_Signalblockstrecken_Berliner_U-Bahn_1916

Übersicht der Signalanlagen Berliner U-Bahn 1916

Nach 1916 folgte die Modernisierung der Signalanlagen im übrigen Netz vorgenommen. Hier führte die Herstellerfirma Siemens&Halske die gesamte Umrüstung an, bis 1928 waren auch die 5 Stellwerke nach Bauart Westinghouse durch VES -Stellwerke ersetzt worden. Das anfängliche Felderblock-System hatte auf allen Strecken ausgedient (letzte Strecke mit dem klassischen Handblock war die Schöneberger Bahn 1926). Auf den neuen Strecken (Großprofil Linie C ab 1923) wurde von Anfang an die Siemens-Technik eingebaut. Über die Jahre wurde die Technik noch verfeinert (Löschkontakte direkt hinter den Signalen eingebaut). Auch die Formsignale verschwanden von den Freistrecken, da die Lichtstärke mit weiterentwickelten elektrischen Leuchtmitteln auch bei Sonnenlicht ausreichend zur Signalisierung war.

(Sh) A1 Tw 540-3 am 09.03.1979

Selbstblockstrecke (1979). Das Selbstblocksignal noch mit mechanischer Fahrsperre. Links die Schachbretttafel zur Selbstabfertigung durch das Zugpersonal

1930 begannen erste Versuche mit Linienleitern im Bahnhof Krumme Lanke, was sich nach dem Krieg zur LZB weiterentwickelte.

Die selbsttätigen Signalanlagen fanden nicht nur bei der Berliner U-Bahn Anwendung. Auch die Deutsche Reichsbahn interessierte sich für diese Technik und suchte den Erfahrungsaustausch mit der Hochbahn. Ab 1926 wurde die erste Selbstblock- Signalstrecke auf der Vorortbahnstrecke Potsdamer Bahnhof - Lichterfelde- Ost eingerichtet. Nach den guten Erfahrungen fand diese Signaltechnik auf den übrigen S- Bahnstrecken Anwendung, um die auch dort noch angewendete manuelle Felderblockung aufzugeben und damit die Sicherheit des dichten Zugverkehrs erhöhte und auch hier eine Taktverdichtung speziell für den elektrischen Zugbetrieb ermöglichte.

Heute ist diese Verfahrensweise zusammen mit Nachrücksignalen bei Schnellbahnen unverzichtbar, um dichte Zugfolgen von 120 bis 90 Sekunden Zugabstand zu ermöglichen. Soweit uns bekannt, fand der automatische Streckenblock und die geteilte Bahnsteig- Isolierung mit Nachrücksignalen in Deutschland erstmals bei der Berliner U- Bahn 1913 auf der Spittelmarktlinie Anwendung (ebenfalls 1913 bei der Hamburger Hochbahn). Siehe weiter zu Selbstblocksignale bei der Reichsbahn unter www .blocksignal.de .

_DSC7611

Ein Westinghouse-Lichtsignal im Berliner U-Bahnmuseum (2010)

Quellen:

  • Unterlagen aus dem Redaktionsarchiv Berliner Verkehrsseiten (Pläne, Bilder)
  • [1] Mitarbeiterzeitung “Die Fahrt” (BVG), 1. April 1936, “Pionierdienste der U-Bahn - Die Wagen-Fahrsperre” von Kraft
  • Hinweise und Ergänzungen aus dem freien Redaktionskollektiv Berliner Verkehrsseiten: Jentzsch
  • “Vorstudien zur Einführung des selbsttätigen Signalsystems auf der Berliner Hoch- und Untergrundbahn”, 1914 Gustav Kemmann in Verkehrstechnische Woche Nr. 25 vom 20.3.1915
  • [3]“Die selbsttätige Signalanlage der Berliner Hoch- und Untergrundbahn nebst einigen Vorläufern” von Dr.Ing. Gustav Kemmann (Geheimer Baurat), Berlin 1921
  • [2]“Die selbsttätige Signalanlage der Berliner Hoch- und Untergrundbahn” von Alfred Bothe, Berlin 1928
  • [4] “Die selbsttätige Signalanlage der Berliner Hoch und Untergrundbahn”, Alfred Bothe, Berlin 1916 (Sonderdruck aus Verkehrstechnischer Woche Septemberheft 1916)
  • “25 Jahre selbsttätiger Strecken- und Bahnhofsblock der Vereinigten Signalwerke (VES)”, 1938
  • Webseite www.stellwerke.de von Holger Kötting
  • [5] Ingenieurwerke in und bei Berlin, 1906, (vom Berliner Bezirksverein Deutscher Ingenieure), “Die elektrische Hoch- und Untergrundbahn”
  • Unterstützung aus dem Berliner U-Bahnmuseum
  • Hersteller  Westinghouse Power Signal Co. Ltd (heute Invensys Rail) www.invensysrail.com
  • Der Hersteller: Siemens mobility
  • Wikipedia zum Thema Selbstblock- Technik
  • Wikipedia zu Gleisfreimelde- Anlage
  • Weiterführende Erläuterung “Zugsicherung” bei Wikipedia
  • Weiterführende Informationen zu Dr. Gustav Kemmann bei Wikipedia
  • Schubert-Roudolf, “Sicherungswerke II, 5. Auflage, Kraftstellwerke”, Seiten 508 bis 512, (1925)
  • Zusammenfassung der Entwicklung von Stellwerken bei der Berliner U-Bahn unter dem Titel “Die Zugsicherungsanlage der Berliner Hoch- und Untergrundbahn”, BVG-internes Dokument (Hauptabteilung elektrische Anlagen, Abteilung U- Bahn Bezirk 1” schätzungsweise zwischen 1947/1949 erstellt.
  • Seite über Westinghouse brake and sexby signal (Westinghouse-Stellwerke) von Mark Ablington
  • Webseite www.blocksignal.de von Steffen Buhr zur Selbstblock- Signaltechnik bei der Berliner S-Bahn
  • Webseite www.signalbox.org von Nick Allsop

Text und Zusammenstellung: Markus Jurziczek von Lisone, BVS 4/2010

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